Unternehmenssteuerreform III – Einführung einer Schweizer Lizenzbox

Novum oder eine Neuauflage der Nidwaldner IP Box?

Seit dem 1. Januar 2011 kennt die Schweizer Steuerlandschaft mit der Nidwaldner IP Box eine Regelung einer Lizenzbox. Die Nidwaldner Lösung versteht die qualifizierenden Immaterialgüterrechte weit und besteuert den Nettolizenzertrag auf kantonaler und kommunaler Ebene zum Einheitssatz von 1.2%, ohne ein kantonales Steuerprivileg in Anspruch zu nehmen.

Spätestens seit 2007 nimmt der internationale politische Druck auf die Schweiz in Bezug privilegierte Besteuerung von Holding-, Verwaltungs- und gemischten Gesellschaften zu. Seither suchen Bund und Kantone Lösungsansätze zur Neugestaltung des Schweizer Steuersystems und Massnahmen zur Stärkung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Das Resultat ist im bundesrätlichen Entwurf zur Unternehmenssteuerreform III zusammengefasst, der am 22. September 2014 in die Vernehmlassung geschickt wurde.

Die Unternehmenssteuerreform III wird die Schweizer Steuerlandschaft entscheidend verändern: Die Reform sieht die Abschaffung der heute nicht mehr mit den internationalen Standards im Einklang stehenden kantonalen Steuerprivilegien für Holding- Domizil- und gemischte Gesellschaften sowie der Steuerregimes für Finanzzweigniederlassungen (Finance Branch) und für Principalgesellschaften vor. Kern der Vernehmlassungsvorlage ist die Einführung einer Lizenzbox auf kantonaler Ebene. Die Vorlage sieht neben der Senkung der Gewinnsteuersätze, der Änderung der Verlustverrechnungsmechanik und der Abschaffung der Emissionsabgabe die Einführung einer zinsbereinigten Gewinnsteuer (notional interest deduction on equity) und von Regeln zur Aufdeckung stiller Reserven vor.

Der wettbewerbspolitische Fokus liegt auf der vorgeschlagene Lösung für die Einführung einer Lizenzbox. Sie ist der Patentbox des britischen Steuerrechts ähnlich und basiert auf der Reduktion der steuerlichen Bemessungsgrundlage um 80%. Der bundesrätliche Entwurf legt seinem Lizenzboxenmodell - vor dem Hintergrund der Prüfung sämtlicher Lizenzbox-Modelle der EU Staaten auf ihre Vereinbarkeit mit dem EU Code of Conduct - ein eng gefasstes Begriffsverständnis von Immaterialgüterrechten, die zur Inanspruchnahme der Lizenzbox qualifizieren, zu Grunde.

Gestützt auf die Arbeiten der OECD zur wirksamen Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken und den Bericht “Adressing Base Erosion and Profit Shifting” (BEPS-Report), der im Auftrag der G20-Staaten erstellt wurde, dient als Grundlage zur Erarbeitung von Massnahmen, die legale aber als aggressiv qualifizierte Steuergestaltung von multinationalen Unternehmen eindämmen sollen. Der BEPS Report sieht einen Massnahmenkatalog zur Vermeidung von Gewinnverschiebungen vor (BEPS Action Plan). Dazu gehören die Massnahmen des BEPS Action Plan Nr. 8, die sicherstellen, dass Verrechnungspreise zu einer Entschädigung der involvierten Parteien führen, welche der generierten Wertschöpfung entspricht: Immaterielle Wirtschaftsgüter. Die verfügbaren Informationen sind in der Vernehmlassungsvorlage soweit als möglich berücksichtigt.

Eine Lizenzbox wird durch fünf Kriterien charakterisiert: (i) Definition der qualifizierenden Immaterialgüterrechte, (ii) Eintrittstest, (iii) die Berechnung des massgeblichen Ertrags, (iv) die Höhe der Entlastung und (v) die Übergangsregelung. Je nach dieser Ausgestaltung verändert sich der Charakter der Lizenzbox. Die angestrebte internationale Akzeptanz setzt der Ausgestaltung der Schweizer Lizenzbox Grenzen.

Für die Lizenzbox qualifizieren nur Einkünfte aus Patenten, aus ergänzenden Schutzzertifikaten, aus ausschliesslichen Lizenzen an einem Patent oder aus dem Erstanmeldeschutz gemäss Art. 12 des Heilmittelgesetzes, nicht jedoch Einkünfte aus Markenrechten. Neben dieser engen Umschreibung der qualifizierenden Immaterialgüterrechte sieht der bundesrätliche Entwurf einen Eintrittstest vor, der zur Inanspruchnahme der Lizenzboxbesteuerung erfüllt sein muss. Das Unternehmen muss als Eigentümer oder Nutzniesser eines Patents massgeblich zur Entwicklung der zugrunde liegenden Erfindung beigetragen haben. Ein Beitrag ist massgeblich, wenn der Inhaber das Immaterialgüterrecht entwickelt oder weiterentwickelt hat, die Kontrolle über die Entwicklung habt (strategische Planung, Finanzierung etc.) und in der Schweiz über Substanz verfügen. Bei Konzerngesellschaften gilt auch die Kontrolle über die Entwicklung als massgeblicher Beitrag, im Falle von Nutzniessung oder einer ausschliesslichen Lizenz auch die Zugehörigkeit zum Konzern, der den massgeblichen Beitrag geleistet hat.

Die gegenwärtige Überprüfung der verschiedenen Lizenzbox-Regimes durch die Europäische Union und die OECD wird sich auf den schweizerischen Gesetzgebungsprozess auswirken. Die Differenzen und deren Bereinigung zwischen Grossbritannien, Luxemburg, den Niederlanden und Deutschland werden sich in der Ausgestaltung der Schweizer Lizenzbox wiederfinden. Aus praktischer Sicht interessiert, wie Unternehmen den Nachweis erbringen können, dass sie die normierten Kriterien erfüllen.

Die heute bereits in Kraft stehende Nidwaldner Lizenzbox wird an die neuen Gesetzesvorgaben angepasst werden, sobald die Unternehmenssteuerreform in Kraft steht. Unternehmen, die die Nidwaldner Lizenzbox bereits in Anspruch nehmen können nach Inkrafttreten des neuen Rechts voraussichtlich während einer bestimmten Zeitdauer im Rahmen des Übergangsrechts die bisherigen Regeln noch anwenden.

Carlo Scollo Lavizzari / Dr. Philipp Ziegler