Unwahre Angaben beim Vorstellungsgespräch – fristlose Kündigung

 

In seinem Urteil vom 14. Februar 2011 (4A_569/2010) schützte das Bundesgericht die fristlose Entlassung eines Arbeitnehmers wegen falscher Angaben vor der Einstellung. Der dem Entscheid zugrundeliegende Fall spielte sich wie folgt ab:

Der Arbeitnehmer (A.) war im Jahre 2003 Mitarbeiter der Bank Y. mit der Aufgabe, private und institutionelle Kunden zu akquirieren und zu betreuen. Dafür erhielt er ein Jahressalär von CHF 100‘000.-. Nach einem halben Jahr kündigte die Bank das Arbeitsverhältnis wegen ungenügender Leistungen von A. Ab diesem Zeitpunkt war A. ohne Anstellung und bezog Arbeitslosengelder.

Nach mehreren Vorstellungsgesprächen erhielt A. auf den 1. April 2005 eine Anstellung als „Senior Private Banker“ und Mitglied der Direktion bei der Bank X. mit einem Jahressalär von CHF 160‘000.-. Im Verlauf der vorgängigen Vorstellungsgespräche erklärte A. wahrheitswidrig, dass er immer noch in einem Arbeitsverhältnis zur Bank Y. stehe, die Kündigungsfrist drei Monate betrage, er ein Jahresgehalt von CHF 180‘000.- beziehe und Kundengelder in der Höhe zwischen 200 und 300 Mio. USD verwalte und betreue. Nach Ablauf der Probezeit Ende Juni 2005 stellte die Bank X. A. einen Probezeitbericht aus, in welchem ihm attestiert wird, dass er sich sehr gründlich eingearbeitet habe, sehr aufgeschlossen sei, aktiv mitdenke und die ihm übertragenen Verantwortungen gewissenhaft wahrnehme. Zu diesem Zeitpunkt bewertete die Bank X. A. durchwegs positiv.

Ende August ersuchte die Arbeitgeberin die Y. telefonisch um die Zustellung eines Arbeitszeugnisses betreffend A., weil dieser der Aufforderung auf Aushändigung eines solchen nicht nachgekommen war. Diesem Arbeitszeugnis konnte die Bank X. entnehmen, dass die Bank Y. im Jahr 2003 A. wegen ungenügender Leistungen den Arbeitsvertrag gekündigt hatte. Daraufhin kündigte die Bank X. das Arbeitsverhältnis mit A. fristlos.

Die fristlose Kündigung wollte A. nicht akzeptieren. Er machte insbesondere geltend, der gute Probezeitbericht zeige, dass seine unwahren Angaben keinen Zusammenhang mit der Arbeitsleistung hätten und damit die Weiterführung der Anstellung für die Bank X. nicht unzumutbar sei. Das Obergericht des Kantons Zürich und das Bundesgericht bejahten aber einen wichtigen Grund für die fristlose Entlassung mit folgenden Argumenten:

Den Arbeitnehmer treffe schon im Stadium der Vertragsverhandlungen eine vorvertragliche Treuepflicht, welche durch bewusst wahrheitswidrige Angaben bei der Stellensuche verletzt werde. Der Arbeitgeber habe ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Wahrheit, wenn die falschen Angaben Fähigkeiten, Kenntnisse, Examen oder Ausbildungsgänge mit Bezug zur zugewiesenen Stelle betreffen. Die Beschwerdegegnerin hätte den A. nicht angestellt, wenn sie gewusst hätte, dass er seit längerer Zeit arbeitslos war und keine laufenden Vermögensverwaltungsaufträge mehr hatte. Auch kommt A. als Mitglied der Direktion eine sehr hohe Verantwortung zu und seine Anstellung setze daher zusätzlich zur Erfüllung seiner Aufgaben ein besonderes Vertrauen in seine Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit voraus. Unabhängig von der Qualität seiner erbrachten Arbeitsleistung waren die wahrheitswidrigen Angaben geeignet, die für seine weitere Anstellung wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest tiefgreifend zu erschüttern.

Dieser Fall zeigt die Risiken von Lügen des Stellenbewerbers zu Tatsachen mit direktem Bezug zur Arbeitsstelle (fachliche Eignung, Kenntnisse, Examen etc.). Derartige Lügen können grundsätzlich selbst eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen.

Gemäss Rechtsprechung anders zu behandeln sind Lügen des Stellenbewerbers zu unzulässigen Fragen des Arbeitgebers zum Privatbereich, z.B. nach einer geplanten oder bestehenden Schwangerschaft, Religionszugehörigkeit u.ä. In einem solchen Fall muss der Bewerber nicht zwingend die Antwort verweigern, sondern darf zur „Notlüge“ greifen, wenn die Verweigerung der Antwort die Aussichten auf die Stelle gefährden könnte.

Franziska Meier