Ab dem 01. Januar 2021 ist für Unternehmen, die drohen zahlungsunfähig zu werden, eine gesetzlich geregelte Sanierung und Restrukturierung auch außerhalb eines formalen Insolvenzverfahrens möglich.

Das in diesem Zusammenhang am 17.12.2020 vom Bundestag beschlossene Gesetz sieht hierfür die Einführung eines neuen gesetzlich geregelten Rahmen vor. Das sogenannte Gesetz über den Stabilisierung und Restrukturierungsrahmen (StaRUG) dient hierbei der Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie des Europaparlamentes (EU) 2019/1023), welche die EU-weite Einführung und Vereinheitlichung vorinsolvenzlicher Sanierungsverfahren vorsieht.

 

Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen stellte hierfür einen breiten Katalog an neuen Maßnahmen zur Verfügung, die Unternehmen zur Verhinderung der Insolvenz in Anspruch nehmen können. Ansatzpunkt des Gesetzes ist hierbei die drohende Zahlungsunfähigkeit. Die vorgesehenen Maßnahmen sind hierbei nicht als integriertes Verfahren ausgestaltet und setzen auch keine formale Verfahrenseröffnung voraus. Vielmehr stehen die vorgesehenen Rechtsinstitute nebeneinander und können unabhängig voneinander nach Bedarf in Anspruch genommen werden.

 

Das Kernelement des StaRUG bilden die Regelungen zum sogenannten Restrukturierungsplan.  Vergleichbar einem Insolvenzplan können unter Einbeziehung der Gläubiger Regelungen zu den Verbindlichkeiten des Unternehmens getroffen werden, um die eingetretene drohende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen und somit letztlich eine Insolvenz zu verhindern. Ausgenommen sind hierbei grundsätzlich nur Forderungen von Arbeitnehmern sowie Zusagen auf betriebliche Altersvorsorge, Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen sowie Straf- oder Bußzahlungen. Die Vorschriften zum neuen Verfahren sind den bekannten Normen zum Insolvenzplan in den §§ 217 ff. InsO nachempfunden und angenähert. Dies gilt insbesondere für die inhaltliche Gestaltung (darstellender und gestaltender Teil) sowie die Abstimmung entsprechend einer Gruppenbildung. Entscheidend für die Annahme eines Restrukturierungsplan ist es, dass in der jeweilig gebildeten Gläubigergruppe grundsätzlich mindestens 75 % der Gruppenmitglieder zustimmen. Es wird aber auch die Möglichkeit vorgesehen, die Zustimmung einzelner Gruppen zu ersetzen.

 

Im Gegensatz zum Insolvenzplanverfahren ist eine gerichtliche Erörterungen und Abstimmung des Restrukturierungsplan nicht zwingend erforderlich. Das durch das Gesetz neu eingeführte sogenannte Restrukturierungsgericht kann allerdings fakultativ eingeschaltet werden. Nur wenn weitere Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen in Anspruch genommen werden, ist eine Anzeige des Vorhabens und ein Tätigwerden des Restrukturierungsrichters notwendig. Hierbei handelt es sich um die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens, die gerichtliche Bestätigung eines außergerichtlichen Restrukturierungsplan, die gerichtliche Vorprüfung des Plans und die Anordnung sogenannter Stabilisierungsanordnungen, etwa zur Verhinderung der durch Gläubiger betriebenen Zwangsvollstreckung oder der Verwirklichung von Sicherungsrechten.

Kontrovers diskutiert wurde in diesem Zusammenhang zuletzt die zunächst vorgesehene Möglichkeit der gerichtlichen Beendigung von gegenseitigen oder noch nicht beidseitig vollständig erfüllten Verträgen, die aber im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens ersatzlos gestrichen wurde.

 

Des Weiteren ist eine Beteiligung des Restrukturierungsgerichts notwendig, wenn die vorgesehenen Maßnahmen umfassenden Anfechtungschutz genießen sollen. Dieser ist nämlich nur bei rechtskräftiger gerichtlicher Bestätigung des Restrukturierungsplan vorgesehen. Das zuständige Gericht für Restrukturierungssachen ist für den jeweiligen Oberlandesgerichtsbezirk das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Oberlandesgericht seinen Sitz hat.

 

Als weitere Neuerung sieht das StaRUG die Einführung des Amtes eines sogenannten Restrukturierungsbeauftragten vor. Zwingend notwendig ist dessen gerichtliche Bestellung nur im Ausnahmefall. Das Gesetz sieht diese aber vor, wenn Verbraucherrechte oder Rechte mittlerer, kleiner oder Kleinstunternehmer durch den Restrukturierungsplan berührt werden, der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung zulasten aller oder im wesentlichen aller Gläubiger beantragt oder dass bei Restrukturierungen, die nur gegen den Willen einzelner Gläubiger erreichbar sind, deren Zustimmung ersetzt werden muss. Daneben kommt die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten in Betracht, wenn 25 % der Gläubiger einer Restrukturierungsgruppe dies beantragen und zur Übernahme der Kosten bereit sind.

 

Ferner wird die Funktion eines sogenannten Restrukturierungsmoderators neu geschaffen. Dessen Bestellung erfolgt zwar auf Antrag durch das Gericht, ist aber unabhängig von den Maßnahmen des Restrukturierungsrahmens zu sehen. Vielmehr wird hier im Vorfeld Unternehmen mit finanziellen Schwierigkeiten die Möglichkeit gegeben, die Unterstützung einer in Sanierungsfragen sachkundigen Person in Anspruch zu nehmen. Ziel ist es, dass durch Unterstützung des Moderators eine einvernehmliche Vereinbarung mit den Gläubigern geschlossen wird. Ein sogenannter Sanierungsvergleich, der gerichtlich bestätigt werden kann, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Möglichkeit der späteren Insolvenzanfechtung.

 

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass das StaRUG auch den Haftungsmaßstab von Geschäftsleitern nachhaltig modifiziert. So wird etwa die Pflicht zu einer fortlaufenden Risikofrüherkennung und frühzeitigen Krisenmanagement durch den Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmensformen etabliert. Des Weiteren ist vorgesehen, dass ab Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgerichts die Geschäftsleitung im Interesse der Gläubigergesamtheit „die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsanierungsgeschäftsführers“ walten lassen muss. In diesem Zusammenhang wird flankierend auch die Insolvenzordnung angepasst. So wird die Geschäftsleiterhaftung nun rechtsformübergreifend im neuen § 15b InsO gebündelt geregelt. Mit Blick auf die Sanierungsbemühungen stellt diese neue Norm ferner klar, dass Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes als im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgte Zahlungen gelten (§ 15b Abs. 2 InsO n. F.).

 

Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen bietet Unternehmen in der Krise erstmals die gesetzlich geregelte Möglichkeit zur präventiven Sanierung. Neu ist hierbei sicherlich, dass gegenüber den Gläubigern weiterreichende Maßnahmen getroffen werden können, ohne dass bereits ein ungleich eingriffsintensiveres Insolvenzverfahren eröffnet werden muss. Insbesondere vor dem Hintergrund der nach wie vor andauernden COVID-19-Pandemie sowie deren Nachwirkungen, erscheint es naheliegend, dass unter Rückgriff auf das StaRUG die drohende Welle an Insolvenzen zumindest teilweise abgefedert werden kann. Insofern bleibt zu hoffen, dass die neu geschaffenen Regelungen frühzeitig Anklang in der Praxis finden.

 

Karlsruhe, 23.12.2020

Stephan Pap

Rechtsanwalt

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