Probleme in der Lieferkette am aktuellen Beispiel des Coronavirus (SARS-CoV-2) (Teil 5)

Teil 5: Wenn Lieferanten nicht mehr liefern können…
UN-Kaufrecht und Privatautonomie

 

Viele Unternehmen haben momentan mit den Folgen der COVID-19-Pandemie zu kämpfen. An diesem aktuellen Beispiel wird deutlich, dass ein Vorfall dieses Ausmaßes zu vielen Problemen in den Lieferketten der (Welt-)Wirtschaft führen kann. So kann der Fall eintreten, dass ein Hersteller, Zulieferer etc. als Schuldner einem Gläubiger eine vereinbarte Ware aufgrund der Folgen der COVID-19-Pandemie nicht mehr liefern kann.

 

Daher stellt sich für viele Unternehmen die Frage, welche Rechte und welche Handlungsmöglichkeiten sie in einem solchen Fall haben.

 

Ein solcher Fall kann insbesondere dazu führen, dass ein Schuldner aufgrund von § 275 BGB mit allen damit verbundenen Konsequenzen nicht mehr leisten braucht und der Gläubiger keine Gegenleistung mehr erbringen muss oder vom Vertrag zurücktreten kann (Teil 2 und 3). Alternativ könnte ein deutsches Unternehmen sowohl als Gläubiger als auch als Schuldner der Leistung von seinem Vertragspartner die Anpassung des Vertrages verlangen (Teil 4).

 

a) Anwendung des UN-Kaufrechts

Im Rahmen von Lieferketten mit internationalen Bezügen, kann es sich für das deutsche Unternehmen auch um einen internationalen Warenkauf handeln. In diesem Fall findet das UN-Kaufrecht (CISG) u.a. Anwendung, wenn der Warenkauf dem Recht eines Vertragsstaates (z.B. von Deutschland) unterliegt und es nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde.

 

Nach dem CISG könnte eine Vertragspartei einen Schadensersatzanspruch gegen einen internationalen Vertragspartner haben, wenn dieser ihm die vereinbarte Ware nicht liefern kann.

 

Art. 74 CISG
Als Schadenersatz für die durch eine Partei begangene Vertragsverletzung ist der der anderen Partei infolge der Vertragsverletzung entstandene Verlust, einschließlich des entgangenen Gewinns, zu ersetzen. Dieser Schadenersatz darf jedoch den Verlust nicht übersteigen, den die vertragsbrüchige Partei bei Vertragsabschluss als mögliche Folge der Vertragsverletzung vorausgesehen hat oder unter Berücksichtigung der Umstände, die sie kannte oder kennen musste, hätte voraussehen müssen.

 

Dieser Schadensersatz erfolgt anders als nach §§ 280, 283 BGB unabhängig davon, ob der Vertragspartner die Vertragsverletzung zu vertreten hat. Auch wenn der Schuldner aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht leisten könnte, wäre er dennoch grundsätzlich zum Schadensersatz gegenüber dem Gläubiger verpflichtet.

 

Eine Ausnahme davon bildet der Art. 79 Abs. 1 CISG.

 

Eine Partei hat für die Nichterfüllung einer ihrer Pflichten nicht einzustehen, wenn sie beweist, dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und dass von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluss in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden.

 

Im Falle der COVID-19-Pandemie dürfte dem Schuldner der Beweis, dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hintergrund beruht, der nicht zu erwarten war, leichtfallen.

 

Daher ist es auch unter Anwendungen des UN-Kaufrechts unwahrscheinlich, dass Schadensersatzansprüche bei Nichtleistung geltend gemacht werden können.

 

b) Vertragliche Vereinbarungen

Abgesehen von all den gesetzlichen Handlungsmöglichkeiten und Rechten, die in den letzten Beiträgen aufgezeigt wurden, können die Vertragsparteien im Rahmen der Privatautonomie natürlich auch spezielle Regelungen für den Fall der Nichtleistung aufgrund einer höheren Gewalt vereinbaren.

 

  • Für diesen Fall ist ein bestehender Vertrag im Einzelfall zu untersuchen und die Klauseln, die einen Fall wie die COVID-19-Pandemie umfassen könnten, genau auszulegen.

 

Von § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie darf im Rahmen von vertraglichen Vereinbarungen jedoch nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden (vgl. § 1 Abs. 5 Teil 3). Insoweit wird die Privatautonomie durch die neue Gesetzesänderung eingeschränkt.

 

Abgesehen von den Problemen, dass ein Warenabnehmer keine Ware mehr annehmen will (Teil 1) und ein Lieferant keine Ware mehr liefern kann (Teil 2 bis 5), kann die COVID-19-Pandemie aus soweit gehen, dass Unternehmen bzw. Geschäftspartner insolvent werden. Mit der Frage, was in diesem Fall zu beachten ist, beschäftigt sich Teil 6 und 7.

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