Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer - Bekenntnis zur Ordnungsfrist

 

Das Schweizer Parlament korrigiert den Missstand bezüglich Verzugszinsen bei verspäteter Meldung der Verrechnungssteuer und bestätigt mit einer Gesetzesnovelle am 22. September 2016 die Qualifikation der 30-Tagefrist des Meldeverfahrens als Ordnungsfrist und bestätigt damit, dass das Meldeverfahren bei der Verrechnungssteuer möglich bleibt, auch wenn der Antrag erst nach Ablauf der dreissigtägigen Frist bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung eintrifft.

Die Verrechnungssteuer auf Dividenden beträgt 35 %. Die Verrechnungssteuerpflicht wird grundsätzlich durch Entrichtung der Steuer erfüllt. Die Verrechnungssteuergesetzgebung sieht für bestimmte Fallkonstellationen aber vor, dass die Verrechnungssteuerpflicht anstelle der Entrichtung der Steuer mittels Meldung erledigt werden kann. Dies gilt insbesondere für Dividenden aus wesentlichen Beteiligungen. Die Meldung der Verrechnungssteuer muss innert 30 Tagen nach Fälligkeit der Dividende erfolgen. Fällig ist diese entweder am Tage des Dividendenbeschlusses oder an dem Tag, auf welchen die General- bzw. Gesellschafterversammlung die Fälligkeit festgesetzt hat.

Das Bundesgericht entschied am 19. Januar 2011 (2C_756/2010) einen Fall über die Anwendung des Meldeverfahrens und die Konsequenzen einer verspäteten Meldung der Verrechnungssteuer zu beurteilen. In Abkehr von der bisherigen Verwaltungspraxis qualifizierte sie die für das Meldeverfahren geltende 30-Tagefrist als Verwirkungsfrist und verweigerte gestützt hierauf die Erfüllung der Verrechnungssteuerpflicht im Meldeverfahren.

Im Nachgang zu diesem höchstrichterlichen Entscheid verschärfte die Eidgenössische Steuerverwaltung ihre Praxis rigide. Bei verspätetem Eingang des Antrags auf Meldung statt Entrichtung der Steuer verweigerte sie nunmehr das Meldeverfahren ungeachtet der Erfüllung der materiellen Voraussetzungen und erhob zufolge verspäteter Entrichtung der Verrechnungssteuer (30 Tage nach Dividendenfälligkeit) Verzugszinsen von 5% p.a. auf der Steuerschuld. Diese von Lehre und Praxis heftig kritisierte Praxisverschärfung führte dazu, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung insgesamt CHF 600 Mio. an Verzugszinsen für Steuern vereinnahmte.

Am 20. September 2016 hat der Ständerat der Änderung des Verrechnungssteuergesetzes (nationales Meldeverfahren) und des Bundesgesetzes über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (internationales Meldeverfahren) zugestimmt. Zwei Tage später räumte der Nationalrat die letzte Differenz aus, womit der Gesetzgeber nunmehr verbindlich statuiert, dass die Frist des Meldeverfahrens bei der Verrechnungssteuer eine Ordnungsfrist ist, deren Versäumen mit Busse bis CHF 5'000 geahndet werden kann. Das bedeutet, dass das Meldeverfahren bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen auch bei verspätetem Einreichen zu gewähren ist. Dies gilt zufolge einer vom Nationalrat eingebrachten Übergangsregelung auch für Fälle vor Inkrafttreten des neuen Rechts, mit Ausnahme bereits verjährter Fälle oder Fälle, welche rechtskräftig vom dem 1. Januar 2011 erledigt wurden.

Die Gesetzesnovelle wird in den nächsten Monaten unter Vorbehalt des fakultativen Referendums in Kraft treten.

All jene Unternehmen, welchen die Inanspruchnahme des Meldeverfahrens aus Fristgründen verweigert wurde, und welche die Verzugszinsen der Eidgenössischen Steuerverwaltung bezahlt haben, können deren Rückerstattung beantragen.

Dr. Philipp Ziegler