Neues Verjährungsrecht ab 1.1.2020 – die wichtigsten Änderungen im schweizerischen Obligationenrecht

Sowohl National- als auch Ständerat haben in ihrer Schlussabstimmung vom 15. Juni 2018 eine Verlängerung der deliktsrechtlichen Verjährungsfristen beschlossen. Das Referendum gegen die entsprechenden Gesetzesänderungen wurde nicht ergriffen, weswegen das neue Verjährungsrecht per 1. Januar 2020 in Kraft treten wird.

Das bislang geltende Recht kannte insbesondere bei deliktischen Ansprüchen die Problematik von kurzen Verjährungsfristen, was sich insbesondere bei Spätschäden manifestierte. Bereits im Jahr 2007 wurde eine Motion der Rechtskommission des Nationalrats eingereicht. Mit dem sog. "Asbestentscheid" aus dem Jahr 2011 hat der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Problematik der zu kurzen Verjährungsfristen in der Schweiz aufgegriffen. Der EGMR hat damals eine Verletzung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK festgestellt und gerügt, die in der Schweiz geltenden kurzen Verjährungsfristen würden es bei Spätschäden nahezu unmöglich machen, Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche gerichtlich durchzusetzen.

Kern der Revision sind Anpassungen im allgemeinen Teil des Obligationenrechts:

Die im Rahmen der ausservertraglichen Haftung geltende relative Verjährungsfrist von bisher einem Jahr in Art. 60 OR verlängert sich neu auf drei Jahre, beginnend ab Kenntnis des Schadens sowie der Person des Ersatzpflichtigen. Während bei Sach- und reinen Vermögensschäden wie bisher eine absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren ab dem Tag der schädigenden Handlung (bei andauernden Handlungen gilt der letzte Tag) zur Anwendung kommt, gilt bei Personenschäden gemäss neuem Art. 60 Abs. 1bis OR eine absolute Verjährungsfrist von 20 Jahren. Die relative dreijährige und die absolute 20-jährige Verjährung gelten gemäss neuem Art. 128a OR bei Personenschäden ebenso für vertragliche Ansprüche. Damit wurde in diesem Bereich eine Verkürzung der relativen Frist von zehn auf neu drei Jahre vorgenommen.

Auch bei der ungerechtfertigten Bereicherung gelten ab 2020 eine relative dreijährige und eine absolute zehnjährige Verjährungsfrist. Der bisherige Art 67 OR sah eine deutlich kürzere einjährige Verjährungsfrist vor.

Bei den Bestimmungen über die Solidarschuldner wird mit der Revision einerseits präzisiert, dass die Unterbrechung der Verjährung auf einer Handlung des Gläubigers beruhen muss. Andererseits wird im neuen Art. 139 OR festgehalten, dass innerhalb einer Solidargemeinschaft der Regressanspruch des Schuldners, der den Gläubiger befriedigt hat, gegen die Mitschuldner neu in drei Jahren verjährt.

Betreffend den Stillstand der Verjährung ergänzt die Revision im neuen Art. 134 OR, dass die Frist nicht nur wie bisher still steht, wenn die Forderung nicht vor einem schweizerischen Gericht geltend gemacht werden kann, sondern generell dann, wenn sie aus objektiven Gründen vor keinem (also auch nicht vor einem ausländischen) Gericht vorgebracht werden kann. Ausserdem steht die Verjährungsfrist neu bei Forderungen des Erblassers oder gegen diesen während der Dauer des öffentlichen Inventars still sowie während der Dauer von Verfahren zur aussergerichtlichen Streitbeilegung, sofern die Parteien dies schriftlich vereinbaren.

Einen im Vergleich zum geltenden Gesetz verbesserten Schuldnerschutz sieht der neue Art. 141 OR über den Verzicht auf die Verjährungseinrede vor. Dieser soll nur noch für maximal zehn Jahre ausgesprochen werden dürfen. Weiter kann der Verzicht erst dann erfolgen, wenn die Verjährungsfrist bereits angelaufen ist, was Kenntnis über deren Beginn voraussetzt. Zudem muss der Verzicht schriftlich erfolgen.

Abschliessend ist das Übergangsrecht zu beachten: Wenn eine altrechtliche Verjährungsfrist am 1. Januar 2020 noch läuft, so ist auf deren Dauer nur dann neues Recht anwendbar, wenn dies eine Verlängerung der bereits laufenden Frist bewirken sollte. Sieht das neue Recht hingegen eine kürzere Frist als bisher vor, so läuft die längere altrechtliche Frist weiter.

Auf die Änderungen der Verjährungsfrist in anderen Erlassen wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Sämtliche per 1. Januar 2020 revidierten Gesetzesbestimmungen können auf dieser Seite des Bundes eingesehen werden.

Dr. Timon Reinau und Dr. Damian Schai