Solidarhaftung der Erstunternehmer auf dem Bau

 

Per 15. Juli 2013 wurde im Bauhaupt- und Baunebengewerbe die Haftung der Total-, General- und Hauptunternehmer verschärft. Neu haften diese Erstunternehmer dem Grundsatz nach, wenn in der Subunternehmerkette die Mindestlohn- und Arbeitsbedingungen nicht eingehalten werden.

Die Rechtsgrundlage für diese verschärfte Haftung findet sich in Art. 5 des Bundesgesetzes über die flankierenden Massnahmen bei entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und über die Kontrolle der in Normalarbeitsverträgen vorgesehenen Mindestlöhne (Entsendegesetz, EntsG). Die Einzelheiten werden in der dazugehörigen Verordnung über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geregelt (EntsV). Diese Bestimmungen gelangen für alle Arbeitsvergaben an Subunternehmer nach dem 15. Juli 2013 zur Anwendung.

Der Erstunternehmer haftet gemäss Art. 5 Abs. 2 EntsG dann, wenn der fehlbare Subunternehmer vom betroffenen Arbeitnehmer nicht belangt werden kann oder erfolglos belangt wurde (z.B. bei ausländischem Sitz oder im Konkursfall).

Art. 5 Abs. 3 EntsG sieht vor, dass sich der Erstunternehmer von der Haftung befreien kann, wenn er nachweist, dass er bei jeder Weitervergabe der Arbeiten die nach den Umständen gebotene Sorgfalt in Bezug auf die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen angewendet hat. Was genau unter „gebotener Sorgfalt“ zu verstehen ist, regeln die Art. 8a ff. EntsV. Der Erstunternehmer handelt grundsätzlich gebührend sorgfältig, wenn er sich die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch den Subunternehmer anhand spezifisch aufgeführter Dokumente und Belege glaubhaft belegen lässt.

Aus Sicht des Erstunternehmers sind somit insbesondere folgende (nicht abschliessend aufgezählte) Massnahmen unbedingt umzusetzen bzw. in den Verträgen mit den Subunternehmern vorzusehen:

- Vertragliche Verpflichtung des Subunternehmers zur Einhaltung der Mindestlohn- und Arbeitsbedingungen und vertragliches Recht des Erstunternehmers, in die sachdienlichen Unterlagen Einsicht nehmen zu können;

- Regelung im Vertrag, wonach die weitere Untervergabe von Arbeiten durch den Subunternehmer die schriftliche Einwilligung des Erstunternehmers voraussetzt, so dass auch bezüglich weiterer Subunternehmer in der Kette die notwendigen Vorkehrungen seitens des Erstunternehmers getroffen werden können;

- Einholen einer Selbstdeklaration des Subunternehmers zur Einhaltung der minimalen Lohnvorschriften, die von den eingesetzten Arbeitnehmern mitunterzeichnet ist;

- vertragliche Verpflichtung des Subunternehmers zur Führung einer Arbeits- und Ruhezeitkontrolle;

- Kontrolle der Entsendebestätigungen und Arbeitsbewilligungen der eingesetzten ausländischen Mitarbeitenden;

- Kontrolle der Arbeits- und Ruhezeitkontrollen und der Ferienbuchhaltung des Subunternehmers;

- Einholung einer Bestätigung der paritätischen Vollzugsorgane eines GAV (wenn vorhanden), wonach die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen kontrolliert und keine Verstösse festgestellt wurden;

- vertragliche Verpflichtung des Subunternehmers zur Leistung einer Konventionalstrafe bei Nichteinhaltung der gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen, evt. auch Leistung einer Bankgarantie durch den Subunternehmer.

Die obigen Ausführungen zeigen, dass die neuen Bestimmungen in Art. 5 EntsG sowie Art. 8a ff. EntsV für den Erstunternehmer einen nicht zu unterschätzenden zeitlichen, organisatorischen und finanziellen Zusatzaufwand bedeuten. Angesichts der drohenden Haftung sowie der Sanktionen gemäss Art. 9 EntsG (Busse und unter Umständen Verbot, in der Schweiz Dienste anzubieten) ist dieser Aufwand jedoch unumgänglich und muss entsprechend bereits bei der Offertstellung einkalkuliert werden.

Dr. Cristina von Holzen