
Krankheit während der Kündigungsfrist – wann verlängert sich das Arbeitsverhältnis?
Nach Ablauf der Probezeit geniessen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer während einer krankheitsbedingten Abwesenheit für eine gewisse Zeit Kündigungsschutz. Spricht die Arbeitgeberin in dieser Zeit eine Kündigung aus, ist diese nichtig (Art. 336c Abs. 2 OR). Die Dauer des Schutzes (sog. Sperrfrist) richtet sich nach der Länge des Arbeitsverhältnisses:
- 1. Dienstjahr: 30 Tage
- 2. - 5. Dienstjahr: 90 Tage
- ab dem 6. Dienstjahr: 180 Tage
Krankheit nach bereits ausgesprochener Kündigung:
Anders ist die Situation, wenn die Kündigung schon erfolgt ist und die betroffene Person erst während der Kündigungsfrist erkrankt. In diesem Fall wird die Frist unterbrochen und läuft erst dann weiter, wenn die Arbeitnehmerin ihre Tätigkeit wieder aufnimmt. Die Kündigungsfrist verlängert sich deshalb um die Krankheitstage – höchstens aber um die Dauer der jeweils geltenden Sperrfrist.
Wichtig: Besteht für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin (ohne anderweitige Vereinbarung ist dies das Ende eines Monats) und würde das Arbeitsverhältnis infolge der Verlängerung der Kündigungsfrust nicht an einem solchen Endtermin enden, verlängert es sich bis zum nächstfolgenden Endtermin (Art. 336c Abs. 3 OR).
Beispiel: Frau M., welche sich im zweiten Dienstjahr befindet und die Probezeit bereits bestanden hat, wurde am 31. Juli per 30. September gekündigt. Vom 12. bis 20. September ist sie krank (9 Tage). Grundsätzlich würde sich die Kündigungsfrist bis zum 9. Oktober verlängern. Da aber nur eine Beendigung auf Monatsende möglich ist, endet das Arbeitsverhältnis am 31. Oktober.
Rechtsprechung des Bundesgerichts zur arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit:
Nach jüngerer bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGer, Urteil 1C_595/2023 vom 26. März 2024) ist zu beachten, dass nicht jede ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit den Kündigungsschutz begründet. Die Sperrfrist greift nur dann, wenn eine Person generell arbeitsunfähig ist, das heisst auch ausserhalb ihrer bisherigen Tätigkeit keine Stelle antreten könnte. Liegt hingegen lediglich eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit vor, entfällt der Kündigungsschutz – selbst bei ärztlich bestätigter vollständiger Arbeitsunfähigkeit. Eine solche Konstellation liegt vor, wenn sich die Einschränkung ausschliesslich auf den konkreten Arbeitsplatz bezieht und nicht auf die gesamte Lebenssituation der Arbeitnehmerin und diese somit grundsätzlich in der Lage wäre, eine andere Stelle anzutreten. In diesen Fällen kann während einer krankheitsbedingten Abwesenheit eine Kündigung ausgesprochen werden. Ebenso ist bei Krankheit während der Kündigungsfrist die gesetzliche Sperrfrist nicht anwendbar, sodass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist endet.
Lohnfortzahlung
Die Frage der Lohnfortzahlung ist von der Verlängerung der Kündigungsfrist unabhängig und richtet sich nach Art. 324a OR. Ob auch bei rein arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit Lohn geschuldet ist, hat das Bundesgericht offengelassen. In der Lehre besteht jedoch Einigkeit darüber, dass auch eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Lohnfortzahlung auslöst.
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