Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 4 Abs. 7 VOB/B

Die Praxisgruppe Bau- und Architektenrecht unserer Sozietät hat nach über zehnjährigem Rechtsstreit in erster und zweiter Instanz durch das Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof eine grundlegende Leitsatzentscheidung des 7. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes herbeigeführt, die für die Praxis im Hinblick auf eine mängelbedingte Kündigung während der Bauausführung nach § 4 Abs. 7 VOB/B weitreichende Bedeutung hat.


Der Prozessvortrag, den unsere Kanzlei auch mit Blick auf die in die Literatur vertretenen Bedenken gegen die AGB-Konformität der Bestimmung des § 4 Abs. 7 VOB/B in beiden Instanzen vorgetragen hatte, orientierte sich daran, dass eine Kündigung unter Berufung auf geringfügige Mängel, die während der zu diesem Zeitpunkt noch lange andauernden Bauausführung unproblematisch und ohne relevanten Zeitaufwand parallel hätten beseitigt werden können, gegen die Bestimmung des § 307 BGB verstoße, zumal eine Abnahme noch überhaupt nicht vorlag.


Der 7. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes ist dieser Argumentation im Wesentlichen gefolgt und hat allerdings die Unwirksamkeit der Bestimmung des § 4 Abs. 7 VOB/B nach § 307 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 BGB nicht darauf gestützt, dass eine Kündigung während der Bauphase lange vor Abnahme möglicherweise bereits dem Leitgedanken des BGB widerspricht, sondern im Leitsatz ausgeführt:

Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Nr. 7 Satz 3 VOB/B (2002) ebenso wie die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Nr.3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Kündigungsregelung in § 4 Nr. 7 Satz 3 i.V.m § 8 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B (2002) benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam.

BGH, Urteil vom 19. Januar 2023, 
-VII ZR 34 /20-

 

Der 7. Senat des Bundesgerichtshofs hat die Vorschrift als Ausdruck des Anwendungsfalles der Kündigung aus wichtigem Grund verstanden. Der Senat hat für § 4 Abs. 7 VOB/B darauf hingewiesen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund in der Vorschrift nicht beschrieben wären. Die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bestehe nach § 4 Abs. 7 VOB/B bereits losgelöst davon, welches Gewicht die Vertragswidrigkeit oder der Mangel im Hinblick auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses habe. Es würde nicht nach der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere und den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels differenziert. Deshalb könnten nach der gebotenen Auslegung selbst unwesentliche Mängel, die den Auftraggeber nach § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Verweigerung der Abnahme berechtigen würden, zur Kündigung aus wichtigem Grund führen.


In dem von uns zur Entscheidung geführten Sachverhalt wurde während der noch lange andauernden Ausführungsphase ein im Verhältnis zum Vertragsvolumen völlig unbedeutender Mangel zum Anlass genommen, den gesamten Vertrag mit einem Auftragsvolumen von mehreren Millionen Euro zu kündigen. Dies geschah ohne Rücksicht darauf, dass der unstreitig geringfügige Mangel zu einem Aufwand von nur 6.000,00 € innerhalb kürzester Zeit parallel zu den übrigen noch lange anstehenden Vertragsleistungen hätte beseitigt werden können.



Praxisgruppe Bau- und Architektenrecht

Karlsruhe

Tätigkeitsfelder von Bernd Schmitz

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