BAG: Neben dem gesetzlichen Mindesturlaub ist auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub abzugelten

Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits am 24.03.2009 entschieden, dass der Anspruch auf Abgeltung des 4-wöchigen gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 3 BUrlG) nicht erlischt, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist. Mit seiner neueren Entscheidung vom 23.03.2010 (9 AZR 128/09), über die bislang nur eine Pressemitteilung vorliegt, setzt das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung fort. Auch der Schwerbehindertenzusatzurlaub (§ 125 SGB IX) ist abzugelten, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit im bestandenen Arbeitsverhältnis nicht genommen werden konnte. Der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende tarifliche Mehrurlaub kann dagegen erlöschen.

Worum ging es in der Entscheidung?

Der schwerbehinderte Kläger war seit 1971 für die Beklagte tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Anwendung. Vom September 2004 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2005 war der Kläger wegen eines schweren Bandscheibenleidens arbeitsunfähig erkrankt. Mit der im November 2005 zugestellten Klage verlangte er Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, des Schwerbehindertenzusatzurlaubs und des tariflichen Mehrurlaubs für die Jahre 2004 und 2005. Nachdem die Beklagte die Verurteilung zur Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs in zweiter Instanz hingenommen hat, haben die Parteien in der Revision nur noch über die Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs und des übergesetzlichen Tarifurlaubs gestritten.

Der Kläger war mit seinem Antrag auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs erfolgreich, im Übrigen erfolglos.

Das Bundesarbeitsgericht stellt in seiner Entscheidung klar, dass der gesetzliche Mindesturlaub und der Schwerbehindertenzusatzurlaub nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig war. Dagegen können die Tarifsvertragsparteien für den über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden tariflichen Mehrurlaub das Erlöschen des Anspruchs bestimmen. Einen solchen Willen der Tarifvertragsparteien hat das Bundesarbeitsgericht vorliegend angenommen.

In der Praxis wird künftig darauf zu achten sein, dass neben dem gesetzlichen Mindesturlaub auch der Zusatzurlaub schwerbehinderter Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist. Der Anspruch kann auch weder einzelvertraglich noch tarifvertraglich ausgeschlossen werden.

Karen Fiege

 

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Karlsruhe