BGH ändert die Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit einer geduldeten Kontoüberziehung

In seinem Urteil vom 06.10.2009 (IX ZR 191/05) hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung (Urteil vom 11.01.2007 BGH Z 170,276) aufgegeben, nach der eine Deckung in der Regel mangels Gläubigerbenachteiligung nicht angefochten werden kann, wenn ein Gläubiger mit Mitteln befriedigt wird, die der Schuldner aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung schöpft.

Der Bundesgerichtshof will eine „Verkümmerung der Anfechtung“ verhindern, die Masse soll auch durch wirksamere Anfechtungsmöglichkeiten für den Insolvenzverwalter gestärkt werden. Es ist nicht nur eine Gläubigerbenachteiligung anzunehmen, wenn der Schuldner pfändbare Vermögensgegenstände dem Gläubigerzugriff entzieht, sondern auch dann, wenn durch die angefochtene Rechtshandlung die Masse vermehrt wird. Auch in den Randbereichen muss dem Zweck des Anfechtungsrechts Rechnung getragen werden und daher verwirft der Senat nun die Bewertung neuer Kreditaufnahme zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung als massenneutralen Gläubigertausch, indem er auch die Inanspruchnahme eines ungenehmigten Überziehungskredits als Masseschmälerung betrachtet. Der BGH sieht hierin eine mittelbare Zuwendung, denn der unmittelbar aus dem Vermögen der Bank herrührende Zahlungsfluss ist dem Schuldner zuzurechnen, da im Falle einer geduldeten Überziehung der Schuldner der Bank für die Überziehung „gut“ war. Er konnte insofern seine Bonität, die letztlich auch ein Vermögenswert darstellen kann, in die Waagschale werfen. Dieser „potentielle“ Vermögenswert wird geopfert.

Die Gläubigerbenachteiligung der Direktauszahlung des geduldeten Überziehungskredites von der Bank an den begünstigten Gläubiger liegt darin, dass die Kreditmittel nicht in das Vermögen des Schuldners gelangen und dort für den Zugriff der Gläubigergesamtheit verbleiben.

Die Bedeutung dieser Entscheidung ist nicht zu unterschätzen. Insbesondere zeigt sich hier eine generelle Linie des neunten Senats des Bundesgerichtshofs, der die Anfechtungsrechte immer mehr verstärken will.

Christian Schlemmer

 

Rechtsanwalt

Karlsruhe