CL vor dem VGH Baden-Württemberg im Pass- und Unionsrecht erfolgreich: Ein Abwarten bis zur Umsetzung der EuGH-Vorgaben durch die BRD ist wegen des erforderlichen Grundrechtsschutzes nicht geboten.

In einem Rechtsstreit, der bereits mehrere Gerichte beschäftigt hat – auch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) –, hat nun der VGH Baden-Württemberg eine Entscheidung getroffen (Urt. v. 21.12.2016 – 1 S 1843/16). Mit dieser Entscheidung wird die Stadt Karlsruhe verurteilt, einen grundrechtskonformen Reisepass auszustellen, auch wenn das deutsche Passrecht insofern noch nicht geändert wurde.

Dieser Entscheidung ist ein Urteil des EuGH vorausgegangen. Dieses basierte auf einer Klage, der folgender Sachverhalt zugrunde lag: Bei dem Kläger weicht der Nachname von dem Geburtsnamen ab, so dass in seinem Reisepass in dem Feld mit der Überschrift „Name/Surname/Nom“ nicht nur dessen Nachname, sondern auch die Abkürzung „GEB.“ (ohne Übersetzung in andere Sprachen) sowie dessen Geburtsname stehen. Diese Darstellung führt zu zahlreichen Missverständnissen und Nachteilen, insbesondere weil ausländischen Behörden, die die Abkürzung „GEB.“ nicht kennen, teilweise annehmen, dass diese Buchstabenfolge Teil des Namens ist.

Die Klage war deshalb darauf gerichtet, die Angaben im Reisepass des Klägers so zu ändern, dass klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt, wie der Name richtig lautet. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass die bisherige Darstellung den Kläger in seinen Grundrechten verletze, weil der Grundrechtsschutz auch den Schutz des Namens und der Identität beinhalte.

Der Gerichtshof hat insbesondere klargestellt, dass die Beachtung des Namens einer Person wesentlicher Teil des in Art. 7 der Charta verankerten Rechts auf Schutz der Identität und des Privatlebens ist. Es stehe fest, dass eine nicht eindeutige oder unrichtige Darstellung des Namens einer Person in einem Reisepass zu schwerwiegenden Nachteilen in ihrem Privat- oder Berufsleben führen könne, da die Gefahr bestehe, dass Zweifel an der wirklichen Identität, der Echtheit des Passes oder der Wahrheitsgemäßheit der darin enthaltenen Angaben geweckt werden. Deshalb genüge es nicht den rechtlichen Anforderungen, wenn in einem Pass die Eintragung des Geburtsnamens mittels einer Abkürzung angezeigt werde, die noch dazu nicht in eine der vorgegebenen Sprachen übersetzt sei.

In der Erwartung, dass die BRD die Vorgaben, die der EuGH in seinem Urteil gemacht hat, in nationales Recht umsetzt (Passrechtsänderung) und dann auf dieser Grundlage ein grundrechtskonformer Reisepass erteilt wird, wurde das Verfahren vor dem VGH Baden-Württemberg zum Ruhen gebracht. Da bislang aber eine Umsetzung der EuGH-Vorgaben durch die BRD nicht stattgefunden hat, also das deutsche Passrecht nach wie vor nicht geändert wurde, wurde das Verfahren vor dem VGH Baden-Württemberg wieder aufgerufen und die Verurteilung zur Ausstellung eines grundrechtskonformen Reisepasses erreicht.

Entsprechend der vorgetragenen Argumentation lässt sich nicht entgegenhalten, dass die BRD das Passrecht noch gar nicht geändert hat. Der VGH Baden-Württemberg hat dies insbesondere durch folgende Ausführungen klargestellt:

„Die Beklagte ist jedoch zu der beantragten Ausstellung eines Passes, in dessen Eintragungen als Nachname ausschließlich [Name] genannt und der Geburtsname des Klägers nicht aufgeführt wird, verpflichtet. Denn die nach dem deutschen Passrecht vorgesehene Eintragung des Geburtsnamens im Pass, die nicht durch entsprechende Bezeichnung des Datenfelds kenntlich gemacht ist und nur mittels einer Abkürzung bei der Eintragung im Datenfeld angezeigt wird, ist mit Unionsrecht unvereinbar (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 45 f.). Die eine solche Eintragung vorschreibenden Normen des deutschen Passrechts in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 PassG und Anlage 11 zur PassV, dort insbesondere Fußnote 6, sind aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts daher hier insoweit nicht anwendbar. Der Kläger kann die Ausstellung eines solches Passes, in dem sein Geburtsname nicht eingetragen ist, verlangen, da ein solcher Pass dem o.g. Anspruch des Klägers auf unmissverständliche Wiedergabe seines Geburtsnamens im Pass derzeit am nächsten kommt. Die Ausstellung eines solchen Passes ist der Beklagten auch rechtlich und tatsächlich möglich. Die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bindung an Recht und Gesetz und damit an das Passgesetz und die Passverordnung stehen nicht entgegen, da die Gesetzesbindung das Unionsrecht mit seinem Anwendungsvorrang umfasst.“

 

Dr. Rico Faller

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

 

Karlsruhe

 

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