Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen vor der Insolvenz

Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach § 64 S. 1 u. S. 2 GmbHG zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft geleistet werden, wenn die Zahlungen nicht auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Nach Eintritt der Insolvenzreife (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) ist dem Geschäftsführer einer GmbH die Tilgung fälliger Verbindlichkeiten also grundsätzlich verboten, um Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern. Nur ausnahmsweise ist eine die Masse schmälernde Zahlung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar, wobei beweis- und darlegungspflichtig für das Vorliegen dieser Ausnahme der Geschäftsführer ist. Ausnahmefallgruppen bestehen beispielsweise, wenn die Zahlung der Abwendung von größeren Nachteilen für die Masse dienen oder der Geschäftsführer strafbewehrte bzw. steuerliche Verbindlichkeiten tilgt.

Die Zahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung ist nach Insolvenzreife im Gegensatz zur Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht vereinbar, wie der BGH nunmehr im Urteil vom 08.06.2009 II ZR 147/08 entschieden hat. Denn gem. § 266 a Abs. 1 StGB stellt nur das Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, nicht auch der Arbeitgeberbeiträge unter Strafe. Die Zahlungen der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes also vereinbar, weil einem Geschäftsführer mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung nicht angesonnen werden kann, fällige Leistungen auch an die Sozialkasse nicht zu erbringen, wenn er dadurch Gefahr läuft, strafrechtlich verfolgt zu werden. Dies hat der BGH in mehreren neueren Urteilen so entschieden (II ZR 48/06, II ZR 38/07, II ZR 27/07, II 162/07).

Mit der aktuellen Entscheidung ist noch einmal festgestellt worden, dass die Arbeitgeberbeiträge in keinem Fall in der Krise noch gezahlt werden können, will der Geschäftsführer eine persönliche Haftung vermeiden. Zahlt er die Arbeitgeberbeiträge dennoch, so hat er diese an die Masse aus eigenen Mitteln zurückzuerstatten.

Es ist also bei Zahlungen an die Sozialversicherungsträger darauf zu achten, dass eine exakte Tilgungsbestimmung vorgenommen wird, denn es gibt keine gesetzliche oder tatsächliche Vermutung dafür, dass bei Zahlungen an die Sozialversicherungsträger zunächst auf Arbeitnehmerbeiträge gezahlt würde. Diese Arbeitnehmeranteile werden nur dann vorrangig getilgt, wenn der Arbeitgeber eine Tilgungsbestimmung ausdrücklich trifft oder sich aus den Umständen konkludent ergibt, dass diese getilgt werden sollen. Hierzu ist jedoch ein greifbarer Anhaltspunkt erforderlich (BGH 26.06.2001, VI ZR 111/00). Sicherheitshalber ist also eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung bei Überweisung der Arbeitnehmerbeiträge zu treffen.

Christian Schlemmer

 

Rechtsanwalt

Karlsruhe