Mitbestimmung des Betriebsrats bei einer für die Dauer von mehr als 1 Monat vorgesehenen Erhöhung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers von mindestens zehn Stunden pro Woche

09.12.2008 - Mitbestimmung des Betriebsrats bei einer für die Dauer von mehr als 1 Monat vorgesehenen Erhöhung der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers von mindestens zehn Stunden pro Woche

Der für das materielle Betriebsverfassungsrecht zuständige 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat entschieden, dass die Verlängerung der Arbeitszeit eine mitbestimmungspflichtige Einstellung i. S. d. § 99 BetrVG ist, wenn sie für mehr als 1 Monat und 10 Wochenstunden geplant ist.

Dem lag im Wesentlichen der Sachverhalt zugrunde, dass die Arbeitgeberin die wöchentliche Arbeitszeit einer Arbeitnehmerin für einen Zeitraum von - zunächst - 2 Monaten einvernehmlich von 20 auf 37,5 Stunden erhöht hat. Diesbezüglich unterrichtete die Arbeitgeber den Betriebsrat lediglich, holte aber nicht seine Zustimmung dazu ein.

Das BAG hat festgestellt, dass der Betriebsrat nach § 99 BetrVG hätte beteiligt werden müssen, bevor die wöchentliche Arbeitszeit von Teilzeitkräften für die Dauer von mehr als 1 Monat von 20 auf 37,5 Stunden erhöht wird. Das Gericht führt aus, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen insbesondere den Interessen der schon beschäftigten Arbeitnehmer diene. Diese seien berührt, wenn der Umfang der bisher vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit eines (teilzeitbeschäftigten) Mitarbeiters nicht unbedeutend erhöht werden solle. Durch eine solche Erhöhung des Arbeitsvolumens würden regelmäßig dieselben mitbestimmungsrechtlich bedeutsamen Fragen aufgeworfen wie bei der Ersteinstellung. Sie bedürften einer erneuten Beurteilung durch den Betriebsrat.

Insbesondere schließe die – darüber hinaus in Betracht kommende – Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei einer vorübergehenden Verlängerung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG nicht aus.

Allerdings löse nicht jede noch so geringe Erhöhung der vereinbarten Arbeitszeit das Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG.

Insoweit erachtet der Senat die in § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG genannte Grenze von 10 Wochenstunden als maßgeblich. Der Gesetzgeber gäbe mit dieser Regelung zu erkennen, dass er eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden im Regelfall als beiderseits interessengerechtes, zeitliches Minimum für eine Beschäftigung ansehe.

Im Ergebnis habe deshalb der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn die Arbeitgeberin die wöchentliche Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten für die Dauer von mehr als 1 Monat von 20 auf 37,5 Stunden erhöhe. Der Betriebsrat kann seine Beteiligung auch bereits vor dem Abschluss eines der Verlängerung der Arbeitszeit zugrunde liegenden Änderungsvertrags verlangen.

Dies werden Arbeitgeber in Zukunft zu beachten haben und können sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Umwandlung eines Teilzeit- in ein Vollzeitarbeitsverhältnis und umgekehrt keine Einstellung ist.

Zu differenzieren ist allenfalls noch insofern, als weder die Geltendmachung des Teilzeitanspruchs nach § 8 TzBfG noch des Anspruchs nach § 9 TzBfG auf Arbeitszeitverlängerung als solcher die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG auslöst. Dies scheint - nach wie vor - plausibel, soweit der Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch geltend macht und dem Arbeitgeber kein Entscheidungsspielraum verbleibt. Dann kann es auch keine Mitbestimmung des Betriebsrats geben. Aber auch die Verwirklichung des Anspruchs auf Arbeitszeitänderung kann wiederum z. B. mit einer Versetzung oder Umgruppierung einhergehen oder die Versetzung oder Umgruppierung anderer Arbeitnehmer oder die Einstellung neuer Arbeitnehmer bedingen. All dies ist dann mitbestimmungspflichtig.

Explizit keine Rolle gespielt hat in der Entscheidung, dass lediglich die Arbeitszeit einer einzigen Mitarbeiterin von 20 auf 37,5 Wochenstunden verlängert wurde. Ohne Weiteres ist das BAG davon ausgegangen, dass damit kollektive Interessen berührt werden.

Dr. Ingo Vollgraf

 

Rechtsanwalt

Erfurt